Sarg Sechs - Materialien

Der Überlebenssarg

buried
Szenenfoto aus dem Film Buried – Lebend begraben 2009 (Foto: Ascot Elite, Fox)

Särge werden in einer Tiefe von 1,80 Meter bis 2,20 Meter begraben. Dies ist aber keine generelle, bundesweite Regelung, da es kein Bundesbestattungsgesetz gibt. Bestattungen sind Ländersache und so unterscheiden sich die Landesbestattungsgesetze teilweise erheblich. Wie tief wiederum auf einem Friedhof beerdigt wird, hängt von den Bestimmungen für den jeweiligen Friedhof ab. Diese können in der örtlichen Friedhofssatzung und in Arbeitsanweisungen festgehalten sein. (1) Bei einer Erdschicht von 1,20 Meter und mehr über dem Sarg lasten je nach Bodenbeschaffenheit 1 bis 1,5 Tonnen auf dem Erdmöbel. Ein Sargdeckel ist von keinem Insassen ohne Hilfsmittel von innen zu öffnen. Ein lebendig Begrabener könnte noch so viel und laut rufen. Er oder sie wäre nicht zu hören, wie in einer Versuchsanordnung für den Fernsehsender ProSieben 2012 demonstriert wird.

www.prosieben.de/tv/galileo/videos/4291-extrem-lebendig-begraben-im-sarg-clip

Die Angst, lebendig begraben zu werden, ist uralt. Grausige Funde und medizinische Fachberichte berichten von verzweifelten Kämpfen in dunklen Grüften. Es beruhte folglich durchaus auf der Realität und auf dem Unvermögen, den Eintritt des Todes, mithin das erlöschen aller körperlicher Funktionen, exakt zu bestimmen. Das mittelalterliche und frühneuzeitliche Denken gerade der Ungebildeten war konkret: Wenn schon der Mensch am jüngsten Tag auferstehen sollte, dann konnte er nicht völlig tot, sondern nur in einer anderen Existenzform lebendig sein. Und es wurde den Menschen ja auch teilweise bestätigt. (2)

Die sich zersetzenden und auf den Friedhöfen nach der Beisetzung ab und zu wieder ans Tageslicht gelangten Leichen bewegten sich, vergossen blutähnliche Flüssigkeiten, schmatzten und knirschten mit den Zähnen, Körperhaare und Nägel wuchsen angeblich weiter, Frauen konnten sogar im Sarg gebären (3). Das solches „Nachleben“ und „Nachzehren“ der Toten dem Verwesungsprozess zu verdanken war, den bei der Verwesung entstehenden Faulgasen, die Körperteile bewegten und gar die postmortale Geburt einleiteten. wussten die Menschen nicht. Darüber machten sie sich auch gar keine Gedanken, da sie ja von der Fortexistenz der Verstorbenen überzeugt waren, das sie wiederkehren könnten, um zu helfen oder zu strafen. (2)

Die Scheintotangst bildete eines der kollektiven Traumata der Gesellschaft des 18. und 19. Jahrhunderts. Die unterschwelligen Ängste lebendig begraben zu werden, gibt es bis heute. Der Scheintot bezieht seine grausige Faszination aus einer bis zum heutigen Tag diskutierten Frage: Wo liegt die Grenze zwischen Leben und Tod? Im deutschen Recht gibt es keine gesetzliche Definition des Todes. Für die Rechtssprechung wird, in zumeist ausdrücklicher Anlehnung an das Transplantationsrecht, auf den Gesamthirntod als Todesdefinition zurückgegriffen. (4) Ein Verstorbener darf in Deutschland erst 48 Stunden nach dem Tod beerdigt werden. (5)

Lebendig begraben ist als Opferungsart oder Hinrichtungsart seit dem Altertum bekannt. Im Römischen Reich wurden vestalische Jungfrauen in Fällen von Unkeuschheit (crimen incesti) lebendig begraben. Während ihrer Amtszeit als Priesterinnen hüteten die Vestalinnen das Feuer der Stadt Rom. Ihre Keuschheit war religiöse Pflicht und versinnbildlichte die Reinheit der Stadt von göttlichem Unheil. Ein inszenierter Leichenzug begleitete die Vestalin nach ihrer Verurteilung zur Porta Collina, wo die Hinrichtung vollstreckt wurde. Der Vestalin wurden in ihrem Grab Nahrungsmittel beigegeben, vermutlich um die Gemeinschaft von dem Vorwurf der direkten Tötung freizusprechen. Anschließend wurde der Liebhaber auf dem Comitium mit einem Flagrum durch den pontifex maximus zu Tode gegeißelt. Plinius der Jüngere beschreibt detailliert die Hinrichtung der Vestalin Cornelia als „Sühneopfer“ des mit politischen Schwierigkeiten kämpfenden Kaisers Domitian.

Außerdem wurden in Rom in den Jahren 228, 216 und 114/3 v. Chr. je ein Paar Griechen und Gallier zur Abwendung gegenwärtiger militärischer Notlagen auf dem Forum Boarium lebendig begraben. Belege für diese wohl spätesten altrömischen Menschenopfer finden sich besonders in der christlich-apologetischen Geschichtsschreibung. Die Auswahl dieser Personengruppen beruhte möglicherweise auf der überlieferten Zerstörung Trojas, der Sage nach Ursprungsstadt der Römer, durch die Griechen sowie der Zerstörung Roms im Jahre 387 v. Chr. durch die Gallier. Es ist allerdings wahrscheinlicher, dass die Opferwahl auf Einflüsse der Etrusker zurückgeht, also aus einer Zeit stammt, in der die großen äußeren Feinde Roms eben Griechen und Kelten (Gallier) waren. (6)

lebendig begrabener
Ein lebendig Begrabener, 1854 (Antoine Joseph Wiertz (1806 – 1865) Belgischer Maler, Bildhauer und Schriftsteller)

Die Angst, lebendig begraben zu werden, erfreute sich als Motiv in der Literatur des 19. Jahrhunderts einiger Beliebtheit. Die Erzählung „Lebendig begraben“ von Edgar Allen Poe war ein Klassiker, lange bevor es Fantasy- und Horror-Filme zum Thema gab. Der Schriftsteller hatte ein großes Interesse am Scheintot, er litt selbst an kataleptischen Anfällen, die ihn manchmal tagelang in einer totenähnlichen Starre gefangen hielt. Im Medium Film finden sich ebenfalls bis heute zahlreiche Beispiele. Einigen liegt ein Täter-Opfer-Verhältnis zugrunde wie in Lebendig begraben (1962), Spurlos verschwunden (1988) und Kill Bill – Volume 2 (2004), Buried – Lebend begraben (2009), The Coffin – Lebendig begraben (2008) Dolan’s Cadillac (2009).

Buried – Lebendig begraben. (Trailer) US-amerikanischer Film aus dem Jahre 2009 von Rodrigo Cortés mit Ryan Reynolds in der Hauptrolle.
www.youtube.com/watch?v=sib-4cfvv1s

The Coffin - Lebendig Begraben (Film in voller Länge) Ein Horrorfilm aus dem Jahr 2008 von Ekachai Uekrongtham mit Ananda Everingham, Karen Mok, Andrew Lin und anderen USA, Südkorea, Singapur, Thailand
www.youtube.com/watch?v=ZZT-e-FdBNo

Einige technische Hilfsmittel wurden erdacht, um dem Tod in der Tiefe zu entkommen, etwa eine Schnur, mit der der eventuell Scheintote eine Glocke am Grab auslösen oder eine Signalfahne entfalten konnte. Sogar Särge mit einem Sauerstoffvorrat sind konstruiert worden. Um dem Erwachen im geschlossenen Sarge und der darauf folgenden Qual zu entgehen, verfügten manche Menschen (unter anderen Johann Nestroy und Arthur Schnitzler) den „Herzstich“, das heißt, dass nach ihrem wirklichen oder vermeintlichen Tode der Leiche oder dem Scheintoten das Herz durchstochen werden musste. In gleicher Absicht befahl Hans Christian Andersen, seinem Leichnam die Pulsadern aufzuschneiden. Solange er lebte, legte er, wenn er schlafen ging, immer einen Zettel neben sein Bett mit dem Hinweis: „Ich bin nur scheintot.“ Der Philosoph Arthur Schopenhauer verfügte in seinem Testament, dass er erst bestattet werden dürfe, wenn seine Leiche deutliche Anzeichen der Verwesung zeige.

(1) http://bestatterweblog.de/wie-tief-wird-ein-sarg-bestattet/
(2) http://www.rowane.de/html/wiederganger.htm
(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Sarggeburt
(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Tod
(5) https://de.wikipedia.org/wiki/Bestattungsgesetz
(6) https://de.wikipedia.org/wiki/Lebendig_begraben
(7) https://de.wikipedia.org/wiki/Taphephobie#Taphephobie_in_Literatur_und_Kunst

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